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Über unseren Weg: Wie funktioniert ein Volksbegehren?

16. Januar 2020

Volksbegehren – ein Mittel direkter Demokratie

Volksbegehren. Das klingt ernsthaft, politisch aufgeladen, kraft- und bedeutungsvoll, vielleicht auch ein bisschen hochtrabend. Nimmt man den Begriff auseinander, scheint er fast selbsterklärend. Volksbegehren heißt: Die Bevölkerung begehrt etwas.
Auch wenn die Formulierung etwas angestaubt wirken mag, so ist die demokratische Power dahinter beeindruckend! Denn: Ein Volksbegehren ist keine Petition. Es ist mehr. Es ist verbindlich! Während Petitionen ein tolles Mittel zur inneren Mobilisierung einerseits und zur außenwirksamen Öffentlichkeitsarbeit andererseits sind, indem sie die Meinung vieler Menschen sichtbar machen, geht ein Volksbegehren noch einen Schritt weiter: Es fordert die Politik mit einem konkreten Gesetzesentwurf zum Handeln auf. Dieser Gesetzesentwurf MUSS umgesetzt werden, sofern sich genügend Menschen an den Volksabstimmungen beteiligt haben und für Umsetzung des Vorhabens gestimmt haben. Das Volksbegehren ist somit ein Mittel der direkten Demokratie, da die Menschen selbst sagen, was sie wollen, anstatt sich von anderen Menschen (z.B. Abgeordneten im Bundestag) vertreten zu lassen.
So selbsterklärend ist das Ganze dann aber doch wieder nicht. Denn: An ein Volksbegehren sind viele Vorschriften geknüpft, die es zu erfüllen gilt.

Fünf Bundesländer und drei Phasen

Zum einen können Volksbegehren in Deutschland nur auf Landesebene auf den Weg gebracht werden. Bundesweit kann leider kein Volksbegehren gestartet werden (im Gegensatz zur Schweiz z.B.). Deshalb nimmt die Expedition nun einfach die Alternativ-Route und mobilisiert gleich in mehreren Bundesländern gleichzeitig für ein Volksbegehren! Das heißt allerdings auch: viele unterschiedliche Landesgesetze, die den Ablauf im jeweiligen Bundesland regeln.

Grob kann man den Ablauf jedoch für alle Bundesländer in 3 Phasen einteilen: Die erste Phase ist so etwas wie eine “Qualifikationsphase” – sie hat teilweise einen unterschiedlichen Namen, je nachdem, in welchem Bundesland wir uns befinden. In Schleswig-Holstein z.B. “Volksinitiative”, in Berlin z.B. “Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens”. Unterschreiben in dieser Phase genügend Menschen, dann geht es in die zweite Phase, das eigentliche und auch offiziell so benannte “Volksbegehren.” Auch in dieser zweiten Phase werden Unterschriften gesammelt. Zwar werden jetzt noch mehr benötigt, als in der ersten Phase, ABER diesmal hat das Ergebnis auch Folgen: Kommen genügend Unterschriften zusammen, MUSS sich die Landesregierung mit dem Gesetzesentwurf beschäftigen. Es gibt dann 3 Möglichkeiten:

  1. Der Gesetzesentwurf wird durch das Land ohne Veränderung angenommen, der Modellversuch startet.
  2. Die Landesregierung möchte den Entwurf verändern, sie tritt in Verhandlung mit uns, wir einigen uns, der Modellversuch startet.
  3. Wir einigen uns nicht. Der Modellversuch kann nicht sofort starten. Es muss zum Volksentscheid kommen.

Der Volksentscheid

Der Volksentscheid ist also die dritte Phase. Hier kann jede wahlberechtigte Person des jeweiligen Bundeslandes abstimmen, ob sie den Modellversuch in ihrem Bundesland möchte oder nicht. Damit sich hier möglichst viele Menschen beteiligen, soll der Entscheid für das Expeditionsvorhaben zeitlich zusammen mit der Bundestagswahl 2021 passieren. Bei Volksentscheiden bekommt man dann nämlich einfach einen zusätzlichen Abstimmungszettel zu den Wahlunterlagen. Und in der Regel kreuzen die Menschen, wenn sie wählen gehen, dann auch etwas an, wenn es schon diesen zusätzlichen Zettel gibt. Durch dieses timing können wir gemeinsam als Expedition die größtmögliche Beteiligung am Volksentscheid sicherstellen. Das ist sonst nämlich der kritische Punkt: Damit ein Volksentscheid erfolgreich ist, muss ein bestimmter Mindestanteil der wahlberechtigten Menschen im Land an der Abstimmung teilnehmen (wie hoch dieser ist, variiert je nach Bundesland).

Aktuell läuft in Schleswig-Holstein und in Brandenburg die erste Phase. Hamburg, Berlin und Bremen stehen in den Startlöchern, bald geht es auch hier los!

Andere Bundesländer, andere Regeln

Dadurch, dass das Volksbegehren in unterschiedlichen Ländern umgesetzt wird, gibt es jeweils unterschiedliche Vorschriften zu erfüllen. Hierdurch ergeben sich mitunter auch die unterschiedlichen Startzeitpunkte – in manchen Ländern dauert alles zusammen einfach länger als in anderen. Je nach Bundesland sind auch mal mehr, mal weniger Unterschriften notwendig. Das erklärt sich dadurch, dass unterschiedlich viele Menschen in den Bundesländern leben und wir immer die Zustimmung eines gewissen Mindestanteils der Landesbevölkerung brauchen.
Die unterschiedlichen Regeln sind auch ein Grund dafür, weshalb genau diese 5 Bundesländer ausgewählt wurden: Die Expedition startet in den 5 Bundesländern, wo die Wahrscheinlichkeit für Erfolg trotz aller Vorschriften und Vorgaben am höchsten ist!

Das heißt in der Praxis allerdings auch, dass wir auf Kleinigkeiten achten müssen, wie z.B. dass Die Unterschriftenlisten so aussehen, wie die Landesregierung es vorschreibt. Deshalb bleibt die Rückseite der Schleswig-Holstein Liste z.B. frei, während für Brandenburg der Gesetzestext mit auf die Rückseite gedruckt werden muss. Oder auch, dass wir die Unterschriften tatsächlich auf Papier leisten müssen und die unterschriebenen Listen per Post zurück gesendet werden.

Der Offline Effekt

Insgesamt scheint so ein Volksbegehren ziemlich viel Aufwand zu sein. Vor allem, wenn wir es mit Online-Petitionen vergleichen. Aber der Mehraufwand durch die analoge Offline-Abwicklung lohnt sich! Denn: Die Politik muss anschließend handeln. Wir äußern mit dem Volksbegehren nicht nur unsere Meinung, sondern gestalten damit zusammen aktiv das politische Geschehen, schreiben die politische Agenda mit und gestalten gemeinsam die Gesellschaft, in der wir aktuell leben und auch zukünftig gerne leben wollen!

Foto: Kunstaktion vor dem Reichstag: Bürgerrat Demokratie, Mehr Demokratie e.V. ; (CC BY-SA 2.0)

Expedition Grundeinkommen steht für: #grundeinkommen ausprobieren, besser verstehen und gemeinsam eine faire Debatte führen.